Seit Kurzem bieten wir Ihnen mit dem Helpdesk Arbeitsrecht eine neue Dienstleistung an. Pünktlich auf das Jahresende erscheint nun unser erster Newsletter. Darin blicken wir einerseits auf interessante Entwicklungen im Jahr 2023 zurück und zeigen, welche Neuerungen das Jahr 2024 bringt.
Rechtsprechung 2023
- Missbräuchliche Kündigung nach Ablauf der Sperrfrist bei Krankheit (BGer 4A_396/2022 vom 7.11.2023, zur Publ. vorgesehen):
Nach Ablauf der Sperrfrist kann die Arbeitgeberin den Arbeitsvertrag wegen Krankheit grundsätzlich frei kündigen, selbst wenn die Krankheit der Grund für die Kündigung ist. Diese Kündigungsfreiheit wird dort beschränkt, wo die Arbeitgeberin die Krankheit des Arbeitnehmers direkt verursacht hat, z.B. wenn sie es unterlassen hat, Massnahmen zum Schutz des Arbeitnehmers wie in Art. 328 Abs. 2 OR vorgesehen zu ergreifen, und der Arbeitnehmer deshalb krank geworden ist. Oft erreicht die Situation im Zusammenhang mit psychischer Erkrankung den erforderlichen Schweregrad nicht und eine darauffolgende Kündigung ist in diesen Fällen nicht missbräuchlich. Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, die zu Depressionen oder anderen psychischen Störungen führen, stellen im Übrigen regelmässig keine direkt durch den Arbeitgeber verursachte Krankheit dar. - Behauptungslast der Einsprache gegen die Kündigung nach Art. 336b OR (BGE 149 III 304):
Es ist Sache des Klägers, der eine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung geltend macht, die rechtzeitig Einsprache gegen die Kündigung im Prozess zu behaupten und zu beweisen und nicht erst aufgrund der Bestreitung der beklagten Partei. - Verletzung einer arbeitsrechtlichen Weisung als Kündigungsgrund im öffentlichen Dienstverhältnis (BGer 8C_385/2022 vom 14.6.2023):
Die Kantonsschule Schaffhausen erliess eine rechtmässige Weisung, einen Schüler, der sich als "trans" und Junge erklärt hatte, nur noch mit seinem neu gewählten, männlichen Vornamen anzusprechen. Die darauffolgende Entlassung eines Kantonsschullehrers war rechtmässig, nachdem dieser Lehrer der Weisung nicht nachkam. Die durch den Lehrer eindeutig geäusserte Ankündigung, der Weisung nicht nachzukommen, ist gemäss Bundesgericht ein sachlicher Kündigungsgrund im Sinne einer schweren Pflichtverletzung. - Missbräuchliche Alterskündigung eines 64-jährigen Mitarbeiters mit rund 30 Dienstjahren, 11 Monate vor der Pensionierung (BGer 4A_117/2023 vom 15.5.2023):
Die Arbeitgeberin trifft eine erhöhte Fürsorgepflicht bei Arbeitnehmenden, die eine lange Dienstzeit erreicht haben und kurz vor der Pensionierung stehen. Dies steht einer Kündigung zwar nicht entgegen, eine solche ist jedoch besonders schonend auszuüben. Die betroffene Person ist frühzeitig über die beabsichtigte Kündigung zu informieren und eine sozialverträgliche Alternative ist zu prüfen. Im vorliegenden Fall war die Art und Weise der ausgesprochenen Kündigung ausschlaggebend, die Kündigung als missbräuchlich zu qualifizieren. Zugesprochene Pönale: 4 1/2 Monatslöhne bzw. CHF 27'430.
Gesetzesänderungen per 1. Januar 2024
- Reform AHV 21:
Ab dem 1. Januar 2024 tritt die AHV-Reform in Kraft. Als Teil dieser Reform wird ab dem Jahr 2025 das Rentenalter für Frauen angehoben. Für die Übergangsgenerationen gibt es Ausgleichsmassnahmen. Zudem wird das Pensionierungsalter sowie der Rentenbezug flexibler gestaltet. Der Begriff «Rentenalter» wird ausserdem durch denjenigen des «Referenzalters» ersetzt. Im Zuge dieser Reform wird im Übrigen auch die Mehrwertsteuer erhöht (neuer Standardsteuersatz 8.1%). Das Referenzalter der Frauen wird schrittweise (bis 2028) auf 65 erhöht:- 2024: Keine Erhöhung (Rentenalter 64)
- 2025: Erhöhung auf Rentenalter 64 + 3 Monate
- 2026: Erhöhung auf Rentenalter 64 + 6 Monate
- 2027: Erhöhung auf Rentenalter 64 + 9 Monate
- 2028: Erhöhung auf Rentenalter 65
# Praxistipp: Es lohnt sich hier allenfalls ein Blick auf bestehende Arbeitsverträge, um zu prüfen, ob Klauseln betreffend Beendigung infolge Erreichens des Rentenalters angepasst werden müssen
- Änderungen Erwerbsersatzentschädigung bei Todesfall eines Elternteils nach Geburt des Kindes (EO):
Wenn die Mutter innerhalb von 14 Wochen nach der Geburt des Kindes stirbt, erhält der andere Elternteil (der Vater resp. die Ehefrau der Mutter), zusätzlich zu seinem oder ihrem zweiwöchigen Urlaub einen 14-wöchigen entschädigten Urlaub, der unmittelbar nach dem Tod der Mutter am Stück bezogen werden muss (Art. 16i ff. EOG). Parallel dazu hat die Mutter im Falle des Todes des Vaters resp. der Ehefrau der Mutter innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt des Kindes Anspruch auf einen zweiwöchigen Urlaub (Art. 16cbis EOG). Muss das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt für eine längere Zeit im Spital bleiben, so kann der überlebende Elternteil im Todesfall der Mutter die Verlängerung des Entschädigungsanspruchs geltend machen (Art. 16kbis Abs. 2 EOG). - Änderung NAV Hauswirtschaft: Die Mindestlöhne brutto, ohne Zuschläge für Ferien und bezahlte Feiertage werden für Hausangestellte per 1. Januar 2024 erhöht (vgl. Art. 5 NAV Hauswirtschaft).
- Neuer GAV Coiffeurgewerbe: Mit deutlich verbesserten Arbeits- und Lohnbedingungen gilt der neue GAV vom 1. Januar 2024 bis 31. Dezember 2027.
- Stellenmeldepflicht: Da die Arbeitslosigkeit weiter gesunken ist, fallen im Jahr 2024 weniger Berufsarten unter die Stellenmeldepflicht. Diese kann hier überprüft werden.
Fokusthema: Konkurrenzverbot im privaten Arbeitsverhältnis mit Exkurs ins öffentliche Personalrecht
In unserer anwaltlichen Praxis hat uns auch dieses Jahr die Thematik des nachvertraglichen Konkurrenzverbots und dessen Durchsetzung regelmässig beschäftigt. Grund genug, um die wichtigsten Grundsätze und Entwicklungen wieder einmal aufzufrischen.
Sinn und Zweck des nachvertraglichen Konkurrenzverbots ist es, dass Mitarbeitende, die weitgehenden Einblick in das Geschäft bzw. den Kundenkreis der Arbeitgeberin hatten, davon abgehalten werden, nach ihrem Abgang der alten Arbeitgeberin Konkurrenz zu machen und Kenntnisse auszunutzen, die sie bei der alten Arbeitgeberin erlangt hatten. Im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis hat man vor dem Hintergrund der Vertragsfreiheit weitgehende Möglichkeiten. Beispielsweise kann man neben der eigentlichen konkurrenzierenden Tätigkeit, eine Kundenschutzklausel vereinbaren oder ein Abwerbeverbot vorsehen. Das Konkurrenzverbot kann für eine Höchstdauer von grundsätzlich drei Jahren vereinbart werden, in Ausnahmefällen sogar länger (vgl. Art. 340 ff. OR).
Obwohl es entscheidend auf die präzise und vollständige Formulierung der Konkurrenzklausel ankommt, hängt deren Durchsetzbarkeit von einigen weiteren Faktoren ab. So ist ein Konkurrenzverbot insbesondere nur verbindlich und durchsetzbar, wenn das vormalige Arbeitsverhältnis dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin Einblick in den Kundenkreis oder in Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse gewährt hat und die Verwendung dieser Kenntnisse die Arbeitgeberin erheblich schädigen könnte. Doch wie geht man damit um, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin bereits mit einem grossen Rucksack an Arbeitserfahrung und Wissen bei der alten Arbeitgeberin eintritt – kann dieses Know-How mittels eines Konkurrenzverbots geschützt werden? In einem neueren Entscheid hält das Bundesgericht fest, dass die Spezialkenntnisse des Arbeitnehmers im Bereich Informatik (Kenntnis einer bestimmten Computersprache) nicht unter die Geschäftsgeheimnisse der ehemaligen Arbeitgeberin fallen, sondern Fähigkeiten darstellen, die der Arbeitnehmer bereits vor seiner Anstellung bei der ehemaligen Arbeitgeberin erworben hatte und auch in anderen Unternehmen bekannt sind und verwendet werden. In diesem Fall dringt die Arbeitgeberin mit ihrem Anliegen auf Durchsetzung des Konkurrenzverbots und Bezahlung der vereinbarten Konventionalstrafe nicht durch (BGer 4A_364/2022 vom 12.5.2023, E.6).
Doch wie sieht es im öffentlichen Dienstverhältnis aus? Die öffentliche Verwaltung ist – selbstverständlich auch in ihrer Funktion als Arbeitgeberin – direkt an die Grundrechte gebunden. Da ein nachvertragliches Konkurrenzverbot eine massive Einschränkung der Wirtschaftsfreiheit bedeutet, muss es der Grundrechtsprüfung nach Art. 36 BV standhalten, d.h. auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. Im Personalgesetz des Kantons Zürich fehlt es schon an der gesetzlichen Grundlage. Gerne verweisen wir auf den sehr interessanten Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich, wo die Thematik in Bezug auf einen Arzt, der vom USZ an ein Privatspital wechselte und einem Konkurrenzverbot unterlag, eingehend aufgearbeitet wurde und man wohl zum Schluss kommen muss, dass Konkurrenzverbote in der öffentlichen Verwaltung – zumindest im Kanton Zürich –generell einen schweren Stand haben (Entscheid VB.2016.00044 vom 29.6.2016).