Das Krankenversicherungsgesetz (KVG) verpflichtet die Leistungserbringer zur Weitergabe von direkten oder indirekten Vergünstigungen. Die Weitergabepflicht ist nicht auf Arzneimittel der Spezialitätenliste beschränkt. Sie gilt auch für Produkte, welche der Untersuchung oder Behandlung dienen und auf der Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL) aufgeführt sind. Für Produkte, welche diese Voraussetzung erfüllen, bestimmt das EDI den von der obligatorischen Krankenversicherung (OKP) zu übernehmenden Höchstvergütungsbetrag (HVB) und publiziert diesen in der MiGeL.
Der Weitergabepflicht unterliegen alle Leistungserbringer des KVG, einschliesslich Spitäler, Ärztinnen, Apotheker, Pflegeheime, Spitex-Organisationen sowie Abgabestellen. Keine Leistungserbringer sind Hersteller sowie Gross- und Zwischenhändler. Diese sind deshalb nicht zur Weitergabe verpflichtet.
Nicht der Weitergabe nach dem KVG unterliegen Rabatte für Medizinprodukte, die nicht auf der Mittel- und Gegenständeliste aufgeführt sind. Dazu gehören beispielsweise Implantate. Deren Vergütung ist in den Tarifverträgen der entsprechenden Leistungserbringer geregelt.
Auswirkungen für Schweizer Händler
Die krankenversicherungsrechtliche Pflicht zur Weitergabe umfasst alle direkten oder indirekten Vergünstigungen. Die Vergünstigung muss mit dem Einkauf von Arzneimitteln oder Mittel und Gegenständen in Zusammenhang stehen, wie das typischerweise bei Rabatten der Fall ist. Aber auch Rückvergütungen und andere Vorteile unterliegen der Weitergabe, sofern sie mit dem Lieferverhältnis in Zusammenhang stehen.
Gemeinsam ist den Arzneimitteln und den Mitteln und Gegenständen, dass die Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen werden. In beiden Fällen wird der maximale Preis staatlich festgelegt, der von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu leisten ist; bei Arzneimitteln erfolgt die Festlegung in der Spezialitätenliste, bei Mittel und Gegenständen in der Mittel und Gegenständeliste (MiGeL).
Die Preisfestsetzung von Arzneimitteln der Spezialitätenliste unterscheidet sich aber von jener der Mittel- und Gegenständeliste: Während die Spezialitätenliste sowohl den Einstandspreis für den Handel (Fabrikabgabepreis, FAP) als auch den von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu vergütende Höchstpreis (Publikumspreis, PP) festlegt, bestimmt die Mittel und Gegenständeliste nur den Höchstvergütungsbetrag (HVB). Anders als bei Arzneimitteln der Spezialitätenliste legt die Mittel und Gegenständeliste weder den Einkaufs- oder Einstandspreis noch die Handelsmarge fest.
Wie verhält es sich nun, wenn der Leistungserbringer MiGeL Produkte zu einem Preis einkauft, der tiefer ist als der in der MiGeL festgelegte Höchstvergütungsbetrag? Ist diese Abweichung bereits als Rabatt zu würdigen, welcher dann allenfalls der Weitergabe unterliegt?
Die Antwort ergibt sich aus dem Vergleich mit der Preisbildung bei den Arzneimitteln der Spezialitätenliste. Dort setzt sich der von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu vergütende Publikumspreis aus folgenden Elementen zusammen:
Bei Arzneimitteln ist zum staatlich festgelegten Einstandspreis (FAP) der Vertriebsanteil und die MwSt. hinzuzurechnen, um den von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu vergütenden Höchstpreis (Publikumspreis) zu bestimmen. Ein Abweichen vom Höchstpreis begründet noch keinen Rabatt, solange der staatlich festgelegte Einstandspreis (FAP) nicht unterschritten wird.
Analog zum Publikumspreis bei Arzneimitteln der Spezialitätenliste umfasst der HVB der Mittel und Gegenständeliste sowohl die Herstellungskosten (analog FAP), als auch den Vertriebsanteil und die MwSt.:
Damit entspricht der von der MiGeL festgelegte HVB dem Publikumspreis für die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vergüteten Arzneimittel der Spezialitätenliste. Anders als bei den Arzneimitteln der Spezialitätenliste macht die Mittel und Gegenständeliste keine Aussagen über den Einkaufs- oder Einstandspreis von Mittel und Gegenständen: Der Preis, zu dem ein Leistungserbringer ein Medizinprodukt von seinem Lieferanten erwirbt, wird nicht staatlich festgelegt.
Das Abweichen von dem in der Mittel- und Gegenständeliste festgelegten Höchstvergütungsbetrag begründet noch keinen Rabatt. Mangels staatlich festgelegtem Einstandspreis kann das Vorliegen von einem Rabatt nur in Bezug auf die vom Lieferanten üblicherweise in Rechnung gestellten Preise beurteilt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Preise je nach Umfang der vom Lieferanten gewährten Leistungen (Zahlungskonditionen, Lieferfrequenz etc.) variieren können. Spital und Arztpraxis können unterschiedliche Einstandspreise haben. Derartige Preisunterschiede sind nicht zwingend der Weitergabe unterliegende Vergünstigungen bzw. Rabatte.
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Ist eine Marge zulässig?
Ist es mit dem Wesen einer sozialen Krankenversicherung überhaupt zu vereinbaren, dass Leistungserbringer aus dem Verkauf von Mittel und Gegenständen eine Marge erzielen? Das KVG verpflichtet die Leistungserbringer zu wirtschaftlichem Verhalten. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt nur diejenigen Kosten, die wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, sich in ihren Leistungen auf das Mass zu beschränken, das im Interesse des Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist. Sie haben darauf zu achten, dass eine qualitativ hochstehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten erreicht werden kann.
Das Erfordernis der Wirtschaftlichkeit besagt, dass bei einem vergleichbaren medizinischen Nutzen jeweils die kostengünstigste Alternative zu wählen ist. Therapeutische Massnahmen, welche durch günstigere Möglichkeiten ersetzt werden können, sind in der Krankenversicherung nicht kostenpflichtig. Daraus lässt sich jedoch kein allgemeines «Sparsamkeitsgebot» oder ein absolutes «Kostengünstigkeitsprinzip» ableiten. Entsprechend sind Leistungserbringer auch nicht generell zur Weitergabe aller beim Einkauf erzielten Preisvorteile verpflichtet. Das KVG sieht eine Weitergabepflicht nur für bestimmte und begrenzte Sachverhalte vor. Die Regelung ist abschliessend. Effizienzgewinne müssen deshalb nicht gestützt auf das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot dem Kostenträger weitergeben werden. Entsprechend verstösst das Aushandeln günstiger Einkaufspreise weder gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot noch kann daraus ein sonstwie unlauteres oder gar rechtswidriges Verhalten abgeleitet werden.
Dies gilt insbesondere in Bereichen des KVG, wo die Vergütung in Fallpauschalen festgelegt wird. Bei der Festlegung von Fallpauschalen wird die Höhe der Vergütung von den effektiven Kosten der Behandlung und der dafür benötigten Mittel entkoppelt. Damit soll den Leistungserbringern ein effizientes und wirtschaftliches Handeln gerade ermöglicht werden, auch wenn dabei das Erzielen von entsprechenden Effizienzgewinnen möglich gemacht wird. Kostensparendes Handeln und geschicktes Wirtschaften ist also erlaubt.
Dies bestätigt zumindest implizit auch der Bundesrat. Er hält in einem aktuellen Bericht zu Direktimporten von Medizinprodukten fest, dass es den Leistungserbringern überlassen sei, ob sie günstig eingekaufte MiGeL-Produkte entweder günstiger anbieten oder eine höhere Verkaufsmarge erziele wollen.
Auch die Gerichte haben sich schon mit der Frage der Zulässigkeit einer Handelsmarge befasst. In einem Urteil vom März 2006 erachtete das Sozialversicherungsgericht Zürich «Handlingkosten» von 10% für Einkauf, Lagerung und Abgabe als angemessen. Im beurteilten Sachverhalt, bei welchem es um den Kauf Inkontinenzeinlagen durch ein Altersheim ging, erzielte dieses eine Marge von mehr als 200% auf den Einkaufspreis. Diese Marge erachtete das Gericht als nicht mehr zulässig und bezeichnete sie als weitergabepflichtigen «Spezialrabatt».
Fazit
Wird beim Einkauf von Medizinprodukten der in der MiGeL festgelegte HVB unterschritten, liegt nicht automatisch ein Rabatt vor. Ein Rabatt liegt dann vor, wenn eine Lieferantin einem Kunden beispielsweise einen Vorzugspreis anbietet und damit von ihrem üblichen Lieferpreis abweicht. Es ist auch zulässig, dass Leistungserbringer eine Marge erzielen. Dabei scheint eine Marge von 10% auf den Einkaufspreis ohne weiteres zulässig. Wird die Marge zu hoch angesetzt, besteht das Risiko, dass die Gerichte diese als weitergabepflichtigen Rabatt beurteilen.