Arbeitsrecht
Überstunden, Überzeit: Was ist der Unterschied und wann besteht ein Abgeltungsanspruch?
Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen arbeiten häufig mehr als die vereinbarten Arbeitsstunden pro Woche. Doch ob diese auch abgegolten werden müssen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. In diesem Beitrag geben wir Ihnen eine einfache und nachvollziehbare Übersicht über die wichtigsten Aspekte zur Thematik der Mehrzeit.
Grundsätzlich haben Arbeitnehmende nur das vertraglich vereinbarte Arbeitspensum zu erbringen. Ausnahmsweise sind sie jedoch zur Leistung von Mehrarbeit verpflichtet, nämlich wenn diese notwendig und zumutbar ist und die Vorschriften der Ruhe- und Arbeitszeiten eingehalten werden.
Unterscheidung Überstunden vs. Überzeit
Im privatrechtlichen Arbeitsvertrag wird typischerweise das Arbeitspensum in zu leistenden Stunden pro Woche, Monat oder Jahr festgelegt (in der Regel 42 Stunden pro Woche). Parallel dazu sieht das öffentlich-rechtliche Arbeitsgesetz je nach Branche fixe Höchstarbeitszeitsgrenzen von 45 resp. 50 Stunden pro Woche vor. Die Zeit zwischen der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und der Höchstarbeitszeit gemäss Arbeitsgesetz wird als Überstundenarbeit bezeichnet. Die Arbeitszeit, welche über der Höchstarbeitszeit gemäss Arbeitsgesetz liegt, ist Überzeit. Überzeit darf maximal zwei Stunden pro Tag und max. 170 oder 140 Stunden pro Kalenderjahr betragen.
Abgeltungsanspruch
Abgegolten werden müssen Überstunden und Überzeit nur unter gewissen Voraussetzungen.
Damit ein Anspruch auf Abgeltung von Überstunden besteht, müssen diese entweder ausdrücklich angeordnet oder betrieblich notwendig geworden sein (bzw. nach Treu und Glauben durfte der Arbeitnehmende von der Notwendigkeit ausgehen). Besteht keine gegenteilige Regelung, so hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abgeltung in Lohn inklusive eines Zuschlags von 25%. Zu beachten ist, dass es die Möglichkeit gibt, den Abgeltungsanspruch von Überstunden vertraglich gänzlich auszuschliessen oder abzuändern, so dass die Abgeltung in Lohn ohne Zuschlag oder stattdessen im Bezug von Freizeit zu erfolgen hat.
Überzeit hingegen darf nur geleistet werden, wenn Dringlichkeit oder ausserordentlicher Arbeitsandrang vorliegt (bspw. Inventaraufnahme, Rechnungsabschlüsse, Liquidationsarbeiten, zur Vermeidung/Beseitigung von Betriebsstörungen, etc.). Die Entschädigung für Überzeit kann vertraglich nicht wegbedungen werden und muss zwingend mit einem Zuschlag von 25% oder mit Freizeit von gleicher Dauer ausgeglichen werden, sofern die Arbeitnehmerin letzterem zustimmt. Das Arbeitsgesetz sieht für Büropersonal, die technischen Angestellten sowie das Verkaufspersonal in Grossbetrieben des Detailhandels jedoch die Ausnahme vor, dass diese nur eine Entschädigung verlangen können, wenn die Überzeitarbeit mehr als 60 Stunden im Jahr ausmacht.
Kadermitarbeitende
Das öffentlich-rechtliche Arbeitsgesetz ist nicht auf alle Arbeitnehmenden anwendbar, mit der Konsequenz, dass die entsprechenden Regelungen zum Anfall und zur Entschädigung von Überzeit nicht zur Anwendung kommen. Insbesondere sind Arbeitnehmende, die eine höhere leitende Tätigkeit ausüben, vom Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes ausgenommen. Für die Beurteilung, ob eine Person als höhere leitende Angestellte qualifiziert, ist das ausschlaggebende Kriterium die Befugnis, für den Betrieb oder einen Betriebsteil Entscheide treffen zu können, die den Geschäftsgang nachhaltig und massgeblich beeinflussen. Diese Personen haben typischerweise eine hohe Arbeitszeitautonomie, höhere Entlöhnung und sind somit weniger schutzbedürftig. Grundsätzlich ist die höhere leitende Tätigkeit restriktiv auszulegen und es muss der Einzelfall genau geprüft werden. Jedenfalls sind allein die Höhe des Einkommens, eine Unterschriftsberechtigung oder eine Teamleiterfunktion nicht ausreichend. Typischerweise erfüllt nur die oberste Kaderstufe eines Unternehmens (C-Level) die Voraussetzung der höheren leitenden Tätigkeit, bspw. Direktorinnen und Direktoren, Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter oder Verwaltungsratsmitglieder. In Bezug auf die Überstunden ist in diesen Fällen üblich, dass eine Entschädigung oder Kompensation in Freizeit vertraglich ausgeschlossen wird.
Beweislast und Verjährung
Die Beweislast beim Nachweis von Überstunden und Überzeit liegt gemäss Lehre und Rechtsprechung grundsätzlich beim Arbeitnehmenden. Dabei ist die obligatorische Zeiterfassung ein wichtiges Tool. Um Überraschungen und hohe Forderungen zu vermeiden, empfiehlt es sich für Arbeitgeberinnen, im Rahmen ihres Weisungsrechts klare Regelungen in Bezug auf die Arbeitszeit zu erlassen und regelmässig zu überprüfen, ob und weshalb Mehrarbeit erbracht wird. Gegebenenfalls müssen Arbeitnehmerinnen dazu angehalten werden, sich an die Arbeitszeiten zu halten, keine Mehrzeit zu erbringen bzw. regelmässig (in Freizeit) zu kompensieren. Ansprüche aus Überstunden und Überzeit verjähren analog zu Lohnforderungen innert fünf Jahren.